Heute vor vier Wochen stand ich bei herrlichem Wetter am Brocken-Gipfel. Die #BC2016 war um kurz nach halbdrei gefinisht. Ich hatte mein Ziel unter 8 Stunden zu laufen deutlich verfehlt. Bis 60 Km lief alles nach Plan, deutlich unter 6 Stunden war ich bis dahin unterwegs. Aber die letzten 20 Km und vor allem die letzten zehn hinauf zum Gipfel machten mir den sportlichen Garaus. Ich konnte auf dem Schnee nie meine Spur finden. Nicht einmal mit meinen Yaktrax fand ich Halt und Abdruck.
Kein Halten mehr auf den letzten zehn Kilometern
Es war für mich ein zähes Finish und im Vergleich zu den Vorjahren die deutlich langsamten Schlusskilometer. Dabei hatte es hier immer die gleich schwierigen Bedingungen. Egal, acht Stunden hätte ich auch bei optimalem Verlauf verfehlt.
Dabei hatte ich gleich morgens um 6 Uhr den Start verpasst – Anfängerfehler. Mit Anil war ich kurz nach halbfünf Uhr von Herberhausen zwei Kilometer durch den Wald zum (k)alten Tanzsaal gewandert. Wir waren bei den Ersten, die dort ihr Frühtsück einnahmen. Aber die letzten, die den Tanzsaal verließen. Zwischen Frühstück und Start lag ein längerer Toilettenbesuch, der Zeitverlust rührt nicht vom Besuchsgrund, sondern von der Wartezeit: Danach Frühstückstisch aufräumen, alle Taschen und den Rucksack checken, Stirnlampe richten, Schuhe neu schnüren und raus aus dem Tanzsaal. Der Brockenzug der 180 Starter hundert Meter weiter hat bereits das Startsignal vernommen – uiiih. Nichts wie los.
Bis Mackenrode vorarbeiten, 5er-Schnitt – so wie auch in den vergangenen Jahren. Nach 20 Minuten scheine ich mein Feld gefunden zu haben, ich schätze gut 20 bis 25 Läufer vor mir, soweit man das auf den Anfangskilometern bei Nacht schätzen kann. Die erste Verpflegung nach knapp 50 Minuten, inzwischen wird es hell. Bei mir einige der Göttinger ASFM-ler und Deutschlandläufer Björn kommt uns erstmals entgegen – Abklatschen. Danach zum Seeburger See, die Landschaft von Reif überzogen. 18 wären vor mir ruft mir Fotografin Silke zu – Ok, das wären weniger als ich gedacht hatte.
Wenig später, kein Déjà vu, sondern ein Läufer, den ich wie bisher immer, nach etwa 20 Kilometer getroffen habe. Robert meint, dass er heute gemütlich macht – viel später nach mir ist er nicht im Ziel. Wenig später kommt von hinten Markus. Bei meinem dritten Start kenne ich die Strecke schon ganz gut, aber mit Organisator Markus an der Seite fühle ich mich sauwohl. Wir rollen durch Rollshausen zur Kapelle hoch und bekommen Gesellschaft von Andreas. Die Sicht ist genial und mit den beiden weiß ich, dass ich gut aufgehoben bin. Andreas ist immer für einen Topten-Platz gut und mit Markus gibt es kein verlaufen. Doch das Trio hält nicht lange. Andreas ist schneller und Markus fällt ein bisschen zurück.
30 Kilometer nach gut zweieinhalb Stunden. Die Verpflegung Ruhmequelle ist gut bestückt und einige Helfer und Betreuer sind auf den Beinen. Während ich meinen Tee hinunterschlürfe beobachte ich zwei Jungs, wie sie fasziniert auf uns Läufer an der Verpflegung blicken. „Mr. BC“ sagt der kleinere der beiden ehrfurchstsvoll ganz in sich gekehrt. Ich muss grinsen – Markus kommt zum Verpflegungspunkt.
Den Anstieg danach renne ich erstmals bei einer BC hoch. Bisher hatte ich mir immer was vom Verpflegungspunkt mitgenommen und beim hochgehen gegessen. Diesmal drängt die Uhr und Andreas macht pace. Dafür hatte ich den Abschnitt bis Barbis von hier ab nie so schwierig in Erinnerung. 270 Höhenmeter sind auf 12 Kilometer einfach nicht flach – Aschu hat das ausdrücklich beim Briefing am Vorabend herausgestellt. Dass die BC erst ab Barbis beginne, hat er anhand des Höhenprofils in Frage gestellt – er hat Recht behalten. Kurz vor Barbis laufen die Göttinger Lars, Jan und Alexander und weitere an mir vorbei – Ruckzuck verliere ich vier, fünf Plätze. Barbis wird für mich ein kurzer Stopp, manche wechseln Klamotten, Schuhe, ich ziehe schnell weiter. Raus und wieder den Berg hoch – hier muss ich gehen. Oben werde ich bereits von den ersten beiden gestellt. Dranbleiben – es gelingt mir halbwegs.
Entsafter Teil 1: 14 Kilometer bis zum Jagdkopf – die Strecke zieht sich wie Kaugummi. Ich werde noch drei- oder viermal überholt. Aber am Jagdkopf sind wieder alle zusammen und ich laufe als Erster los. 2013 lag hier Tiefschnee neben der Loipe, heute hat es zwar Schnee, aber für eine Loipe reicht es nicht und es lässt sich gut laufen. Bis Lausebuche werde ich nur einmal überholt. Ich fühle mich gut – alle hinter mir gelassen und im Gegensatz zu 2014 keine mentalen Einbruch erlebt. Bei 63 Km gönne ich mir eine Suppe. Danach laufe ich, wie die beiden Starts zuvor, beinahe falsch weiter.
Knapp zwei Stunden für die letzten 17 Kilometer und 700 Meter den Berg hoch, dann reicht es unter 8 Stunden. Lars und Andreas, die das in der Vergangenheit schon gelaufen sind, sind hinter mir. Ich bin zuversichtlich, komme mit den Bodenverhältnissen bis Königskrug klar.Dann nicht mehr. Direkt nach der Verpflegung beginnt das Schneefeld. Eklig weicher Schnee, fünf bis zehn Zentimeter die mir keinerlei Halt bieten. Für mich keine Chance, ich rutsche hin- und her. Einige Meter, dann lege ich die Yaktrax an. Und rutsche immer noch.
Keine Hilfe am Brocken.
Brachten 2014 Grip
Es ist mein erster Einsatz dieser Schneeketten, die ich mir wenige Tage vorher als flexible Lösung gekauft habe. Ganz ehrlich verspüre ich keinen Vorteil. Ich vermisse meine Asics Arctic 4 gtx mit den langen Metallstiften und eiere vor mich hin. Mit Laufen hat diese Fortbewegungsart definitiv nichts zu tun. So geht das die letzten zehn Kilomter bis hoch zum Gipfel.
Vor der Brockenrampe
Nach der Rampe zur Brockenbahn, vier Kilometer vor dem Ziel klopft mir ein Wildfremder auf die Schulter: „Super Leistung – gleich geschafft“. Naja die vier Restkilometer dauern ewig. Viele Spaziergänger sind bei dem herrlichen Wetter unterwegs. Manche applaudieren und bekunden ihren Respekt, manche stellen sich breitbeinig in den Weg und fotografieren. Die können dann im Freundeskreis von den Bekloppten erzählen. Eine Begegnung ist mir besonders in Erinnerung. Vielleicht eineinhalb Kilometer vor dem Ziel, laufe ich mit drei Jungs. Einige Meter vor uns positioniert sich ein älteres Ehepaar wartend bis wir passieren. „Wo sind Sie gestartet?“, im vorbeigehen erwidern wir „Göttingen“ – kurze Pause „Geeeeeillllllll“. Das Staunen in der Stimme höre ich heute noch.Naja, ich war dann als 18. in 8:35 Std. oben.
Erbseneintopf als Vorspeise im Goethesaal.
Ich verpflegte mich gut, wanderte mit Anil, der knapp 2 Stunden später kam, nach Schierke und später in der Nacht wieder zurück ins Hotel. Der Weg nach Herberhausen, der morgens eine halbe Stunde gedauert hatte, dauerte nachts fast zwei – wir fanden einfach den richtigen Weg nicht. Die Kniee waren komplett zerstört, wie selten zuvor, das hielt noch zwei Tage, dann machte ich mich auf meinen ersten Trainingslauf: 8 Km – 50 Minuten.
Mit Anil vor dem Briefing
Das war’s, seither bin ich nur noch einmal gelaufen. Vor drei Wochen konnte ich zwei Kilometer laufen und bin dann heimgehumpelt. Seither habe ich Kacke an der Hacke. Die diffuse Diagnose: Blockierter Nerv im Bereich des Wadenbeinköpfchens. Jeder Schritt schmerzt und seither humple ich umher. Damit wird der Auftritt beim Pfälzer Berglandtrail ab kommenden Freitag leider unmöglich.